Mittwoch, 31. Mai 2017

Stadtplanung mit Todesfolge


Stadtplanung mit Todesfolge?

Als Konrad Lorenz die Chaostheorie entdeckte handelte es sich im Grunde, mathematisch definiert, um eine nicht-lineares Phänomen. Die Chaostheorie ist ein Werkzeug der Mathematik um die Vernetzung von Ereignissen und Interaktionen in der Welt zu untersuchen.

Ein Schmetterling, der zum Beispiel in Shanghai mit den Flügeln schlägt, könnte damit – so die plakative Vereinfachung und Übertreibung von Lorenz – einen Wirbelsturm in New York auslösen. Oder um eine deutsche Analogie zu übernehmen: Wenn in Hamburg eine Bockwurst platzt kann das die japanische Reisernte vernichten.

Doch was hat die Chaostheorie mit Stadtplanung, Krieg und Tod zu tun? Ich will mich bemühen diese Frage verständlich und nachvollziehbar zu beantworten um zu begründen, weshalb ein Bebauungsplan in Deutschland zu Toten in Syrien oder Libyen führen kann.

Das bedeutet nicht, dass Stadtplaner Mörder sind, sondern dass das Gesetz der unbeabsichtigten Konsequenzen (Merton, 1936) mit voller Wucht zuschlägt. Dieses Gesetz bezieht sich, vor allem in Arbeiten der Soziologie, auf Ursachen für unbeabsichtigte Folgen.  Das sind lt. Wikipedia: Komplexität, perverse Anreize, menschliche Dummheit, Selbstbetrug, Ignoranz der menschlichen Natur und emotionale oder kognitive Verzerrungen. Dafür werden die folgenden Gründe genannt:
- Ignoranz: Es ist unmöglich, alle Möglichkeiten vorherzusehen.
 - Fehler: Anwendung von Methoden, die in der Vergangenheit funktioniert haben, der aktuellen Situation aber nicht gerecht sind.
- Kurzfristige Interessen, die langfristige dominieren können.
-Grundwerte können einzelne Methoden erzwingen oder verbieten, die langfristig gesehen unvorteilhaft sind.
- Selbstzerstörerische Prophezeiung: Angst vor gewissen Folgen führt dazu, dass Menschen Lösungen finden bevor das Problem auftritt, daher ist das Nichteintreten des Problems unerwartet.

Grundlage der Stadtplanung ist die Verteilung der Menschen in Gebäuden und deren Ordnung auf der Fläche. Eine spezielle Variante der Stadtplanung ist der Wohnungsbau. Umweltschäden und Infrastrukturkosten sowie die Kosten der Unterhaltung der Infrastruktur steigen mit dem Verbrauch an Grundstücksfläche, und nicht etwa mit der Anzahl der Wohnungen, exponentiell an. Je mehr Grundstück verbraucht wird, desto mehr Nachteile ergeben sich für den Steuerzahler und die Umwelt. Trotz dieses auch politisch und für die Umwelt sehr wichtigen, aber mathematisch einfachen, Zusammenhangs erfolgt Stadtplanung praktisch im finanziellen Blindflug.

In Deutschland liegen in der öffentlichen Statistik noch nicht einmal Werte für den durchschnittlichen Grundstückverbrauch je Wohnung oder Haustyp vor, obwohl lt. Bundesamt für Naturschutz täglich die Fläche von190 Fussballplätzen, ca. 90 ha, durch Bebauung verlorengeht. Primäres Ziel der Stadtplanung sind offenbar nur ästhetische Werte.  Und solange diese Werte, stark beeinflusst von örtlichen politischen Kräften mit der Einstellung „not in my own backyard“, den Zusammenhang zwischen Wirtschaftlichkeit, Umweltschonung, Demografie, Soziografie, Einkommensverteilung und Planung ignorieren, solange bleibt unklar welche immensen Weiterungen urbanes Wohnen verursachen oder aber auch verhindern kann. 

Städtebau geht anders. Er ist weder ein Imagewettbewerb unter Gleichgesinnten noch eine Spielwiese für verkannte Genies. Er ist auch nicht die Wahrung des visuellen Besitzstandes der Nachbarschaft, sondern die Anpassung der Nachfrage an die örtlichen finanziellen Möglichkeiten und soziodemografischen Zwänge. Kurz gesagt, er ist ein Resultat der, nicht immer optimalen, Wirklichkeit.

Dazu kommt eine Ausbildung von Planern und Architekten die den Planer als Universalisten, statt als von volkswirtschaftlich notwendigen Vorgaben abhängigen Auftragnehmer, definiert. Ästhetik, nicht Gebrauchswert und Ersparnis, steht im Vordergrund.

Für den verantwortlichen Investor oder Bauträger, der die Koordination der durch immer neue Vorschriften komplizierter werdenden Bautätigkeit und Erschliessung übernimmt und der den Verbraucher im Markt vertritt, gibt es dagegen nicht einmal ein festes Berufsbild oder eine umfassende Statistik. Er gilt oft abwertend als Baulöwe oder Spekulant, wenn er den finanziell begründeten Zwängen des Marktes folgt. Dieser Berufsstand ist nur entstanden, weil immer neue Einflüsse, Vorschriften und Finanzierungszwänge betriebswirtschaftliche Koordination und Kostenkontrolle des Festpreises erzwangen, die normale Planer auf Grund ihrer Ausbildung nicht leisten konnten oder wollten. Hier wurde von Architekten im Berufsbild freiwillig auf die Führungsrolle beim Bau verzichtet.

Langfristige Gesichtspunkte bei Grundstücksverbrauch und Infrastrukturunterhaltungskosten vertritt letztlich keine Instanz. Auch deshalb sind die mittelbaren und international weitreichenden Folgen lokaler Planung in der täglichen Praxis weitgehend unbekannt. Der Einfluss vorhandener Nachbarn wird durch veraltete Bauordnungen und Baugesetze geschützt, im Zweifel zugunsten der Besitzenden.

Diese Denke ist im Zeitalter der Globalisierung überholt. Grenzen verschwimmen, eine Völkerwanderung findet statt. Neue Planungskriterien sind, wie die folgenden Beispiele zeigen, schnell erforderlich.

Wie unterschiedlich Planungsziele sein können zeigt der Vergleich von zwei Ausschnitten aktueller Planung von 2016.

Bei Plan A, ca. 25 km vom Stadtzentrum einer Grossstadt, handelt es sich um, politisch geförderte, preisgünstige Bebauung, der die finanziellen Möglichkeiten heutiger Haushalte dem Planungsansatz zugrunde liegen. Das Einkommen der späteren Bewohner war Grundlage des Planungsansatzes.

Hier soll Normalverdienern der Erwerb von Wohnungseigentum ermöglicht werden, ohne dass der Steuerzahler zusätzliche Subventionen aufbringen muss. Städtische Planer haben ihre Planungsziele auf die vorhandene soziale Infrastruktur ausgerichtet und über den Zuschnitt der Grundrisse verschiedene soziologische Ziele verfolgt um eine gesunde demografische Durchmischung zu erreichen.

Das traditionelle Reihenhaus wurde gewählt um Ersparnisse durch Bauteiloptimierung zu erzielen und wenn irgend möglich Bauzeit und Zinsen durch Vorfabrikation von Elementen zu sparen.
                                           Plan A

Die Grundstückanteile je Wohnung sind gering, aber ausreichend für normale Familien von heute. Ein Reihenhaus mittlerer Grösse bietet einen Garten und mehr Lebenswert als eine Wohnung, vielleicht noch ohne Balkon, auf der Etage. Das trifft insbesondere auf Familien mit Kindern zu.

Das Grundstück liegt weit vom Stadtkern, die intensive, aber begrünte, Bebauung schützt und spart unberührte Landschaft, ermöglicht eine preisgünstige Infrastruktur und verursacht nur geringe spätere Unterhaltungskosten, denn auch diese Kosten steigen exponentiell mit der Grundstückgrösse je Wohneinheit; und nicht etwa mit der Anzahl der Wohneinheiten.

Plan B, für ein Grundstück am Kernstadtrand, 4 km vom Zentrum einer deutschen Mittelstadt, ist das genaue Gegenteil. Statt grundstückssparend für normale Einkommen zu planen werden hier mit dem vielfachen Anteil von Grundstücksfläche je Wohneinheit auf Kosten der Umwelt Ideen verwirklicht, die sich nur sehr Wohlhabende leisten können. Statt in Fahrradentfernung vom Stadtzentrum wirtschaftlich zu bauen um die Umwelt vor Abgasen zu schützen und Infrastruktur umweltfreundlich und wirtschaftlich zu gestalten werden hier, ohne Rücksicht auf umweltpositive und soziale Optimierung des Wohnungsangebotes, Träume der Planer für Reiche verwirklicht.

Dazu kommt eine, mangels klarer politischer Vorgaben an die Verwaltung, lange Bearbeitungszeit die die Kosten durch Zinsen und Baupreissteigerung erheblich negativ beeinflusst.
Ohne Rücksicht auf die Kosten für die späteren Bewohner werden mit jahrelangen teuren Verzögerungen Planungswerkstatt und Architektenwettbewerb öffentlich abgewickelt.

Diskussion unter wirtschaftlich unkundigen Theoretikern führt zu einer Lösung, die deren ästhetische Vorstellungen nahe kommt. Sie repräsentiert sich auf Ausstellungen und Fachzeitschriften gut, erhöht aber die Wohnkosten allein durch die erforderliche Planungszeit gewaltig.

Der Druck der Zinsen, für jede private Firma ein Problem das zu Eile und Wirtschaftlichkeit zwingt,
hat für Politiker und staatliche Planer kein Gewicht. Bebauungspläne dauern Jahre.

Bei nur 6 qm Grundstücksanteil je qm Wohnfläche und Grundstückskosten von 350 Euro/qm erhöht sich bei einem Zinssatz von 5 % dadurch die Miete bei nur einem Jahr zinsträchtiger Planungszeit bei einer 75 qm-Wohnung um 650 Euro im Monat. Meist wird es viel teurer, denn dazu kommt noch die ebenfalls von der Zeit abhängige Steigerung der Baukosten.


                                                                          Plan B

Mit einem wunderschönen Plan wird eine Gartenstadt erträumt, die am Rand der Innenstadt dem Ideal vom eigenen Heim in einer lockeren Parklandschaft gerecht werden soll. Politik und Planung arbeiten jahrelang Hand in Hand um Ideale zu verwirklichen, die nur einen Nachteil haben: Der normale Bürger kann es sich nicht leisten, dort zu wohnen und weicht auf das Umland aus. Statt 4 km mit dem Fahrrad fährt er dann zweimal am Tag steuerlich subventionierte 20 km mit dem Auto, bis er die angrenzende Umweltzone(!) der Kernstadt und seinen Arbeitsplatz erreicht hat.

Das führt nicht nur zu hohen Infrastrukturkosten, sondern auch zur Verschwendung von Lebenszeit. Eine Stunde Fahrt je Tag sind, abgesehen von den Umweltfolgen, bei einem normalen Arbeitsleben fast 3½ Jahre, die der normale Arbeitnehmer im Auto zubringt, verlorene Lebenszeit. Es würde sich lohnen einmal nachzurechnen wieviel Umweltbelastung durch Produktion, Verschleiss und Abgas im örtlichen Einzelfall entsteht. Bei nur 100 durch derartige Planung entfallenden Wohneinheiten sind das mehr als drei Menschenleben die vernichtet werden. Kleine Ursachen, aber grosse Wirkung aus der hohe planerische Verantwortung gegenüber Allgemeinheit und Umwelt resultiert. Interdisziplinäres Denken, über vorhandene Grenzen hinweg, wird erforderlich.

Demografen, Statistiker, Sozialwissenschaftler, Umweltkundler und die technischen Berufe müssen zusammenarbeiten um die Folgen des zunehmenden Grundstücks- und Landschaftsverbrauchs zu mindern. Neue Bauvorschriften, die der Umwelt nutzen sollen, sind nur Kurieren an Symptomen. Es kommt schon bei der Planung darauf an den Energieverbrauch zu mindern und grundstückssparende Bauformen zu entwickeln. Selbst ein freistehendes Haus lässt sich schon heute, bei Einhaltung aller Vorschriften, auf 245 qm Grundstück errichten. Üblich sind 500 – 600 qm, in „besseren“ Stadteilen noch weitaus mehr. Hier leben Wohlhabende auf Kosten des Durchschnitts. Die Erde gehört uns allen. Restriktionen beim Grundstücksverbrauch schützen die Allgemeinheit.

Wieviel an Umweltverschmutzung und Landschaftsverbrauch liesse sich sparen, wenn eine standardisierte, nicht auf den Planbereich beschränkte, Umweltfolgenanalyse und die Ermittlung soziodemografischer Merkmale der jeweiligen Planung zugrunde gelegt würden.

Die schweizer Gemeinde Morges, idyllisch am Genfer See gelegen, hat das heisse Eisen der Architekten und Stadtplaner angefasst und ermitteln lassen wieviel Landschaft unnötigerweise verschwendet wird. Die Bilder sprechen Bände:




Statt rationeller Überlegungen werden oft, aus Umweltgründen nicht zu rechtfertigende, Idealvorstellungen, mit dem Planungsmonopol der Verwaltung als Druckmittel im Rücken, gegen die Nachfrage normaler Einkommensbezieher am Markt durchgesetzt. 


Dies merkwürdigerweise ohne dass Umweltschützer auf die Barrikaden gehen um Landschaftsverbrauch je Wohneinheit zu minimieren und den umweltschädlichen Quellverkehr - bei den zu erwartenden hohen Preisen und Mieten sind hier viele spritfressende grosse Autos zu erwarten - am Rande der Umweltzone zu reduzieren.

Statt dessen finden Demonstrationen, wie 2019 in Berlin, für die Enteignung von Wohnungsgesellschaften statt deren Erfolg nicht eine Wohnung mehr bringen und den Steuerzahler mit immensen Zusatzkosten belasten würde. 

Das im freistehenden Einfamilienhaus verankerte Denken der Architekten zeigt sich in einer Veröffentlichung, die ein „Sparhaus“ mit 26 qm Wohnfläche vorstellt. Hauptsache freistehend. Die enge soziale Beziehung zur Nachbarschaft scheint planerisch nicht erwünscht. Erschliessung und Grundstücksverbrauch zu Lasten der Allgemeinheit werden nicht einmal ansatzweise berücksichtigt. Ein normales, in der Praxis zu Hunderttausenden erprobtes, Reihenhaus böte für die gleichen Gesamtkosten die dreifache Wohnfläche und liesse sich auf weniger als einem Drittel der Grundstücksfläche errichten.


Orientiert man sich an den Wohnungsgrössen, dann zerfällt Deutschland in eine 2-Klassen-Gesellschaft.
Zwei Drittel der Haushalte bewohnen nicht mehr als 120 qm, meist viel weniger.

Der Rest sammelt sich um den Wert von 190 qm bis weit darüber. Planung privilegiert hier das obere Drittel, obwohl die Einkommensverteilung eine harmonische Kurve ergibt.


Je  näher die Menschen in sozialer Gemeinschaft zusammen leben, desto weniger Infrastrukturkosten entstehen, zumindest für den Steuerzahler. Aber diese positive soziale Interaktion muss soziologisch einschliesslich der erforderlichen Technik geplant werden.

Fahrstühle in Hochhäusern ersetzen Aufwand für Erschließungsstrassen. Versorgungsleitungen werden als Sammelleitungen ausgeführt. Fahrgemeinschaften und Casharing werden einfacher. Der Verzicht auf freistehende Einfamilienhäuser für Familien ohne Kinder, bzw. die Beschränkung von deren Grundstücksfläche auf das absolut notwendige Maß, würde den Steuerzahler der Zukunft von Milliarden entlasten. Stadtplaner sind keine Architekten. Sie soll nur den Rahmen liefern, in dem Gebäudeplaner später tätig werden.Dieser Rahmen beruht nicht nur auf ästhetischen, sondern primär auf wirtschaftlichen Grundlagen. Nur das verfügbare Einkommen kann Grundlage des Planungsansatzes sein.

Gespräche mit Stadtplanern führen aber in fast allen Fällen unweigerlich zu einer Architekturdiskussion, bei der die mit der Planung verbundenen Kosten nur eine untergeordnete Rolle spielen. Wie wenig auch die Politik Planung hinterfragt, lässt sich unschwer erkennen wenn man feststellt, das mittlerweile die durchschnittlichen Grundstücksanteile je Wohneinheit in den verschiedenen möglichen Bauformen, zumindest in Deutschlands amtlichen Statistiken, nicht mehr zur Verfügung stehen. Wie soll dann wirtschaftlich geplant werden?


Die Weltbevölkerung ist von 2010 auf 2015, in nur 5 Jahren, von 6.93 Md. auf 7.35 Md. gestiegen. Deutschland erlebt Zuwanderung. Die Kosten steigen. Neue Ansätze sind erforderlich. Es reicht nicht, die alten Bauformen fortzuschreiben oder oberflächlich zu ökologisieren und behindertengerecht zu organisieren. Die durch den immensen Landschaftsverbrauch volkswirtschaftlich entstehenden Nachteile lassen sich auch nicht durch immer neue, die Wohnkosten verteuernden, Energiesparauflagen kompensieren.

Politik verzichtet, durch mangelnde Analyse der Grundlagen, darauf zu hinterfragen, wie die Umweltbelastung gesenkt und der Verbrauch an unvermehrbaren Grundstücksflächen durch bedarfsgerechte Planung gemindert werden kann. Doch langsam wird umgedacht. Umweltministerin Barbara Hendriks fordert im April 2017 die „nachhaltige Stadt der kurzen Wege“.

Auch die IG Bau hat das, auf der Grundlage von Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, erkannt und im April 2017 öffentlich Änderungen der Wohnraumpolitik gefordert. Der IG-Bau geht es vordringlich um die Verringerung der steigenden Pendlerzahlen, die dadurch entstehende Entlastung der Umwelt und den Zeitverlust durch tägliche stundenlange Fahrtzeiten der Beschäftigten.
Jeden Tag werden in Deutschland viele Hektar Land für Bebauung verbraucht, die durch bessere Planung eingespart werden könnten. Allein von 2003 – 2006 gingen 1657 km² Fläche für Bau und Erschliessung verloren, fast viermal die Fläche des Bundeslandes Bremen (419 km²). Wer Diskussionen in örtlichen Gremien mitverfolgt, der erkennt schnell, das nicht Wirtschaftlichkeit eine Rolle spielt sondern vor allen Dingen die Erhaltung einer möglichst ungestörten Nachbarschaft. So kommt es zu einer negativen Anpassung der Bautätigkeit an den Bedarf.




Während durch den demografischen Wandel über die Hälfte der Großstädter in Einpersonenhaushalten wohnen hat die Planung sich diesen Voraussetzungen nicht angepasst. Sie beruht nach wie vor auf Vorstellungen, die noch aus der Blut-und-Boden Ideologie vergangener Zeiten stammen in denen das freistehende Einfamilienhaus der Traum jeden Planers war.





Resultat ist ein Wohnungsbestand, der mit der demographischen Zusammensetzung der Bevölkerung negativ korreliert, d. h. es gibt viele große Wohnungen und viel zu viele kleine Haushalte.

Mit der Alterung der Bevölkerung steigt der Heizungsaufwand, und damit Energiebedarf und Umweltbelastung, je Person immens. In den Grossstädten bestehen über 50% der Haushalte aus nur einer Person. Sie leben oft in grossen Altbauwohnungen, schlecht gedämmt, mit hohem Energieverbrauch. Die Nebenkosten werden zur zweiten Miete. Die eigentliche Miete wird durch partielle Enteignung der Eigentümer subventioniert. Mieterschutzgesetze haben dazu geführt dass Deutschland eine Eigentumsquote von unter 50% hat, Bulgarien hat 97%.

Der Druck zu einer sozial adäquaten, steuersparenden, soziologisch  und demografisch angepassten Raumplanung und einer daraus resultierender gerechterer Eigentumsverteilung im Wohnungsbau hat so keine Chance sich im öffentlichen Raum zu entwickeln solange nicht die Ausbildung der Planer der wirtschaftlichen Wirklichkeit angepasst wird..

Dazu kommt ein anderer Faktor. Statt Steuerertrag und Infrastrukturunterhaltungskosten jedes Bebauungsplanes gegenüberzustellen spielen derartige Kosten für die Zuständigen keine Rolle. Der ehemalige Finanzminister eines deutschen Bundeslandes sagte, auf den Nachteil der nicht erfassten Zinsen bei der kameralistischen Buchführung des Staates angesprochen, „Wir brauchen keine doppelte Buchführung. Wir haben doch die Steuerschätzung.“

Kein Wunder dass es in Deutschland, ohne bekannte Konsequenzen für die fachlich Verantwortlichen, möglich ist ein Konzertgebäude in Hamburg mit 80 Millionen zu planen und für das zehnfache, 800 Millionen, abzurechnen. Dafür wird dann die Grunderwerbssteuer erhöht und das Wohnen verteuert. Die Erhöhung um 1 Prozent kostet bei einem Haus für 350.000 Euro 3500.- DM zu Lasten eines Erwerbers, der die Elbphilharmonie wahrscheinlich nie von innen sieht.  


Die Verschwendung  hält auch im Wohnungsbau an. Planerische Zielvorstellung ist nicht eine Verminderung der durch Grundstücksverbrauch entstehenden Nachteile, sondern eine Fortschreibung der Ideale der Vergangenheit trotz wachsender Weltbevölkerung. Wenn etwa 2 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kommen dann ist, auch in Hinsicht auf den mit dem Grundstückverbrauch quadratisch steigenden Ölbedarf als Kriegsursache, neues Denken bei der Planung erforderlich.

„Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten weit in der Türkei die Völker aufeinanderschlagen ... „ schreibt Goethe im Faust. Bis heute hat sich nicht viel geändert. Wir nehmen passiv zur Kenntnis was wir aktiv ändern könnten.

Planung die mittelbar Kriege verursacht ist unmoralisch. Die Ursachen der Kriege und des millionenfachen Leidens liegen heute nicht mehr bei beutehungrigen Kreuzfahrern sondern in Planungsansätzen, die, nicht nur in den USA, diese Kriege zu Sicherung der Energieversorgung erst erforderlich machen: Stadplanung mit Todesfolge.  


Eigenes Heim auf eigener Scholle, wie schon 1933, das ist auch heute noch die Zielvorstellung vieler politische Gremien in Deutschland – ohne Rücksicht auf die Kosten. Mangels ausreichender Statistiken und Kennwerte wird einfach nicht erkannt, wie die Belastung der Umwelt und des Steuerzahlers durch eine veränderte Planungspolitik gesenkt werden kann.

In Deutschland leben nur etwa 227 Menschen auf 1 km².In den Niederlanden sind es schon 410, in Singapur 8295 Menschen, die sich einen km² teilen. In Amerika sind es nur 35 Menschen und in Australien nur 3 Einwohner die sich 1 km² des riesigen Landes teilen.

Die Zersiedelung Amerikas erkennt man, wenn man stundenlang über den Siedlungsbrei der Einfamilienhausgebiete fliegt, die die großen Städte Kaliforniens umringen. Folgerichtig werden riesige Flächen für Straßen benötigt. Oft beträgt die Fahrzeit zur Arbeitsstelle mehr als 2 Stunden. Das bedeutet das nicht nur 4 Stunden am Tag für die Fahrt zur Arbeit geopfert werden, sondern dass auch die Volkswirtschaft Amerikas auf die möglichst preiswerte Versorgung mit Treibstoffen für den Individualverkehr angewiesen ist. Die Menschen in Los Angeles fahren zusammen 480 Millionen Straßenkilometer am Tag ¹) und sitzen durchschnittlich 90 Stunden im Jahr im Stau, und das meist mit laufender Klimaanlage.

Damit sind wir jetzt wieder bei der Chaostheorie und dem Schmetterling, der in Shanghai mit den Flügeln klappert und dadurch einen Wirbelsturm in New York auslöst.

Um den durch unwirtschaftliche Stadtplanung verursachten Treibstoffverbrauch preiswert zu decken destabilisiert die USA, in Abstimmung mit Verbündeten, mit militärischen und anderen Mitteln Länder im vorderen Orient, um sich den Zugang zu den Ölquellen zu sichern.

Auch Stadtplanung in Deutschland, das von internationalen Treibstoffgesellschaften versorgt wird, löst so Krieg in Libyen oder dem Irak aus, der auf den gesamten vorderen Orient übergreift. Verbunden damit ist eine neue Völkerwanderung, die dazu führt, dass die europäische Gemeinschaft, ohne die zur Aufnahme von Flüchtlingen erforderlichen Organisationssysteme, langsam auseinanderfällt.

Nationaler Egoismus gefährdet nicht nur das europäische Zahlungssystem, sondern auch die Handlungsfähigkeit der gemeinsamen Union.  Es hat mit dem Brexit begonnen, aber die nicht zuletzt, auch im Laizismus, religiösen Widerstände gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in vielen Ländern können dazu führen, dass die Europäische Gemeinschaft handlungsunfähig wird und ihren Zusammenhalt verliert. Die Sezessionskriege im ehemaligen Jugoslawien sind ein Hinweis auf die mangelnde Haftung der europäischen Idee und die Stärke des tradierten europäischen Nationalismus.

Eine Vielzahl von Komponenten bestimmt das Bild: nationale Ideologien, Religionen, der wirtschaftliche Sog der reichen Länder, Realpolitik, ethnische Säuberungen und manches andere.

Die traurigen Szenen der Folgen der Auseinandersetzung der Grosssmächte in den ölreichen Ländern des vorderen Orients sind im TV zu Standardware geworden, die wir beim Abendessen vor dem Unterhaltungsprogramm, eher unwillig, als Trailer zur Kenntnis nehmen.

Gleichzeitig hat sich, nicht nur in Amerika, eine Rüstungsindustrie entwickelt die, durch Lobbyismus und Wahlkampfspenden, Vorstellungen fördert, die Kriegen zugrunde liegen. Die Politik reagiert und zettelt Kriege in anderen Ländern an. Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie werden erhalten, Soldaten und ausländische Zivilisten sterben.

Deutschland ist da keine Ausnahme:



Ein großer Sektor der Volkswirtschaften lebt davon, dass andere Menschen sich umbringen. Politisch ist das Sicherung der Arbeitsplätze, moralisch Massenmord.

Dass mangelnde Statistiken, wirtschaftlicher Unverstand bei Politik und Behörden und falsch ausgebildete Planer am Anfang der Kausalkette des tödlichen Chaos stehen bemerkt bisher niemand. Noch weniger sieht die Politik Anlass zu Veränderungen. Der Wähler sieht nur  seinen örtlichen, individuellen Nutzen. Die politisch Handelnden sehen nur die Wählerstimmen. Und so marschieren wir vermutlich gemeinsam, wie die Lemminge, in den – vermeidbaren – Abgrund.                                                                                                                    

¹) Quelle: FORTUNE 2016



Karl H. Grabbe 6-2017/ 4-2019