Dienstag, 8. November 2016

Individualität der Masse

Individualität der Masse


Individualität soll das einzelne Mitglied der Masse von anderen unterscheidbar machen. Die Suche nach einer eigenen Identität zieht sich durch das ganze Leben des Menschen. Sie äusserlich darzustellen beflügelt die Angebotsbreite der Automobilindustrie. Vermutlich ist der Mensch je eher auf äussere Symbole zur Beeinflussung Dritter angewiesen, je weniger seine geistige Leistung Anerkennung findet.

Der Gelehrte schreibt Bücher und setzt sich der Kritik seiner Peer-Group aus. Der Wissenschaftler hofft nicht auf Geld, sondern den Nobelpreis. Frauen haben die Mode als Unterscheidungsmerkmal entdeckt. Der Manager von Grosskonzernen veröffentlicht Bilanzen und messen sich im Vergleich zu Kollegen an der Steigerung des Aktienpreises. Der Sportler misst sich in Wettbewerben um seinen Rangwert festzustellen und ihn über die Medien auf seine Bewunderer zu projizieren. Wenn sie oder er damit Glück haben winkt ein saftiger Werbevertrag.

Im Allgemeinen wird die Anerkennung Dritter aus der wirtschaftlichen Leistung abgelesen. Wir messen Erfolg, mangels anderer Massstäbe, in Geld. FORBES veröffentlicht nicht allein jährliche Reichenlisten. Der oder die Erfolgreiche können nur indirekt den Erfolg darstellen. Kontostände zu nennen gilt, zumindest in Europa, als unfein. Finanzieller Erfolg, auch wenn er hart erarbeitet ist, ruft Neider auf den Plan.

Positive Unterscheidungsmerkmale sollen indirekt die egozentrische Wichtigkeit betonen. Oligarchen wetteifern um die längste Jacht, eine mittelbare Art von Penisneid, den Grossbanken mit der Höhe ihrer Wolkenkratzer zum Ausdruck bringen.


Politiker sammeln die Symbole der Macht: Bodyguards, Limousinen, Polizeibegleitung mit Blaulicht am Stau vorbei, fringe benefits, spezielle Nummernschilder und Anderes.Vom Hund bis zur Trüffelmahlzeit, vom zu teuren Bordeaux bis zum Designerschuh werden Symbole ausdifferenziert, um mit Individualität zu punkten.
  
„Geld allein macht nicht glücklich“, wir sind also auf Symbole angewiesen um unseren Mitmenschen eine individuelle Identität zu vermitteln. Symbole werden durch die Medien vermittelt. It-Girls kapitalisieren und  beziehen ihr Selbstverständnis, und die Anerkennung der Masse, aus sinnentleerten Auftritten in Massenmedien. Gefüllt sind nur die, von Spezialisten der Chirurgie, sorgfältig gestalteten Brustpartien.

Die Medien, gezwungen Seiten und Sendezeit zu füllen, vermitteln diese Auftritte an Follower, die sich innerlich mit dem Abglanz fern vom Alltag identifizieren. Eine Realität entsteht, die auf Illusionen beruht. Illusionen werden von der Masse geteilt. Jeder Einzelne fühlt sich als Individuum, geht aber in der Uniformität der Masse, ob beim Rockkonzert oder auf dem Kreuzfahrtschiff, unter.

Rollenvorbilder prägen sich durch Beobachtung. Heute bieten die Medien vielfältige Möglichkeiten „wichtige“ Menschen zu beobachten, die sich durch Individualität auszeichnen. Wie im politischen Raum bilden sich Follower, die versuchen diese Individualität zu kopieren, ohne selbst darüber zu verfügen. Die Masse richtet sich an Symbolen aus und wer es versteht, diese zu vermitteln, ist König im Markt der Eitelkeiten.

War das Tragen von Jeans zu Beginn dieser Mode noch das individuelle Kennzeichen von Menschen die sich von Konventionen befreien wollten, so folgen heute Milliarden von Menschen diesem Rollenbild und geben damit ihre eigene Individualität auf, sofern sie je eine hatten.

Absurd wird das Ganze, wenn gezielt abgenutzte Jeans (stonewashed) schon in der Fabrik mit Löchern versehen werden um dem US-Landarbeiterimage noch näher zu kommen, wenn auch in ganz anderem Umfeld. Die Funktion der Hose ist nicht mehr Kleidung, sondern Imagebildung. Das abhängig- oder unbeschäftigte akademische Proletariat hat Jeans zum Markenzeichen erhoben, die soziale Unterschicht und ein Teil der Mittelschicht machen es nach.

Unwichtigkeit, mangelnde Lebenserfahrung und fehlende Intelligenz lässt sich an der Kleidung ablesen.

Das wiederum ruft im Marketing Führungspersönlichkeiten auf den Plan, die, in Rückkopplung, durch die gleiche Kleidung der Masse Anreiz geben, sich mit ihren Produkten zu identifizieren. Denken wir nur an Richard Branson, der das Image des VIRGIN-Empires prägt oder Dietrich Mateschitz von Red Bull, der sich im Massenmarketing weiter vorwagt als die Meisten. *) Sie werden wieder zum Rollenvorbild, so schliesst sich der Kreis.  Das Perpetuum mobile ist erfunden.

Der „Marlboro Mann“ institutionalisierte das Image in der Werbung. Aus Mitläufern werden Follower, aus Followern Imitatoren, die Andere für sich denken lassen um in der Masse nicht aufzufallen. Individualität verkommt zur Massenware und hebt sich auf. Identiät ist nur noch im nahen engen Umfeld zu erkennen. Der Rest ist Masse.

*) Quelle: Wikipedia
Das auf Extremsportarten fokussierte Marketing von Red Bull wird seit 2009 kritisiert. Bei Red-Bull-Veranstaltungen und Aktionen im Zusammenhang mit Werbemaßnahmen sind eine Reihe von Sportlern tödlich verunglückt.
Zu den bekannt gewordenen Unglücken zählen folgende:
1.     Der Motorradfahrer Toriano Wilson verunglückte beim „Red Bull AMA U. S. Rookies Cup“ am 17. August 2008 tödlich. Er wurde von den nachfolgenden Fahrern überrollt.
2.     Der US-Amerikaner Caleb Moore wurde am 24. Januar 2009 bei den „Winter X-Games“ bei einem Backflip von seinem Schneemobil getroffen. Er verstarb wenige Zeit später
3.     Shane McConkey kam am 26. März 2009 bei einem Fallschirmsprung vom Sass Pordoi um.
4.     Eli Thompson kam am 28. August 2009 bei einem Sprung mit dem Wingsuit um.
5.     Der Basejumper Ueli Gegenschatz verunglückte am 11. November 2009 beim Sprung vom Sunrise Tower in Zürich und starb zwei Tage später.
6.     Am 28. Februar 2013 starb der japanische Motocrossfahrer Eigo Sato beim Training für „Red Bull X-Fighters“ bei einem missglückten Backflip.
7.     Guido Gehrmann starb am 1. Mai 2013 beim Absturz seines Microjets Bede BD-5
8.     Matilda Rapaport verstarb jung verheiratet am 18. Juli 2016 nach einem Unfall zu Dreharbeiten für einen Red Bull Werbespot