Montag, 2. Oktober 2017

Die Grenzen der Erkenntnis

Gott, Big Bang, Urknall, Schöpfung, Singularität, Null,Unendlich, Big Rip:  

Die Grenzen menschlicher Erkenntnis


Der jeweilige Erkenntnisstand des Menschen entspricht zeitgenössischen Maßstäben und Emotionen. In dieser Beziehung ist Philosophie nicht mehr als eine esoterische Diskussion zwischen Intellektuellen, die den Menschen als Mittelpunkt des Denkens sehen.

Selbst der Atheismus geht davon aus, dass der Mensch die Konstante der Beurteilung ist – mit voller Möglichkeit der Erkenntnis. Dass der Mensch auf einer niedrigeren Stufe steht und nicht der Mittelpunkt oder der Referenzpunkt des Geschehens ist erkennt keine der üblichen Philosophien. Sie sind genauso humanozentrisch wie die Aussage, dass die Sonne sich um die Erde dreht.

Der Mensch ist im Käfig der ihm zugänglichen Logik gefangen. Gott, Big Bang, Urknall, Schöpfung, Singularität, Null, Unendlich, Big Rip. Damit beschreibt der Mensch die Grenzen seines Wissens und die Unmöglichkeit weiterer Erkenntnis bzw. der Überschreitung der ihm gesetzten natürlichen logischen Grenzen. Emotionell schreibt er die ihm fehlenden Eigenschaften entweder einem Gott, oder Göttern, zu. Oder er streitet deren Existenz, ebenfalls ohne physischen Beweis, grundsätzlich ab.

Die Grundsatzfrage ist nicht ob es Gott gibt, sondern ob der Mensch in der Lage ist ihn zu erkennen. Nach menschlicher, auf Erfahrung aufbauender, Logik muss Alles einen Anfang und ein Ende haben. Dass es eine darüber hinausgehende Logik auf höherer Ebene gibt ist zu vermuten. Denn der Mensch kann, ebenfalls eine Erfahrung, keine logische Ebene entwickeln, die die ihm gesetzten Grenzen überschreitet und den Beginn allen Seins logisch erklärt.

Andernfalls wäre es möglich die Grenzen des Wissens in das Unendliche zu erweitern und den Beginn des Daseins zu erklären. Mathematisch heisst das, dass, wenn die Logik nicht zur Erklärung ausreicht, nicht die Erklärung fehlt, sondern die für die Erklärung notwendige Logik.
Daraus folgert, dass der Mensch nicht das Ziel der Schöpfung ist, sondern ein triebgesteuertes, im Gesamtzusammenhang unwichtiges, evolutionäres Zufallsprodukt mit begrenztem logischen Erkenntnishorizont. 

Im bisher erkennbaren Fluss zum Ziel der Evolution wird er früher oder später, wie andere vor ihm, durch eine neue Variante des Seins abgelöst. Die dazu erforderlichen Zeiträume und natürlichen Kräfte liegen ausserhalb des menschlichen Erkenntnishorizonts. So gesehen ist der Mensch in einem "Schwarzen Loch" einer grösseren Wirklichkeit gefangen, dessen Rand er nicht überblicken kann. Er befindet sich in einem Goldfischglas ohne das, was er ausserhalb schattenhaft durch die Glaswand wahrnimmt, deuten zu können. Es gibt nur Vermutungen auf Basis der eigenen Existenzerfahrungen. Wie soll der Goldfisch das, was vor der Zimmertür liegt, auch nur erahnen?

Der Mensch weigert sich anzuerkennen, dass er Teil eines physikalischen Systems ist, das nach den Gesetzen der Physik oder der Quantenmechanik auf Zufallsbasis eine Weiterentwicklung hin auf ein ihm unbekanntes Ziel verfolgt. Er hält sich, trotz einer Erfahrung deren Umfang in Bezug auf die Dauer der ihm bekannten Wirklichkeit lächerlich ist, für die Krone der Schöpfung.

Aber die Fliege sieht besser, der Fisch hält höheren Wasserdruck aus, die Fledermaus orientiert sich mit Ultraschall im Dunkeln, die Ameise ist besser organisiert, das Chamäleon und der Plattfisch blenden sich in die Umgebung ein, der Vogel kann fliegen, der Computer lernt zu denken – die Evolution verfügt noch über viele Werkzeuge zur Optimierung der Zukunft und hat unbegrenzt Zeit, um auf des richtige Ergebnis zu warten.

In einem physikalischen System gelten materielle Grundgesetze. Eines dieser Gesetze ist das Abstandsgesetz (inverse square law). Daraus lässt sich auch die Erkenntnisfähigkeit des Menschen in seinem geschlossenen System ableiten. Dabei lässt sich erkennen, dass das Weltbild des Menschen weitgehend von Glauben und Ideologie geprägt ist, die für das fehlende Wissen die Platzhalter spielen. Die Füllung des entfernten Raums und der entfernten Zeit mit Unwissen verleitet den Menschen zur Spekulation, deren Maßstab er selbst und seine begrenzte Erfahrung ist. Nicht nur zufällig haben Götter menschliche Eigenschaften und gleichen in ihrer Darstellung dem Menschenbild.

Utopien und Ideologien, deren Erfolge sich im Diesseits messen lassen, haben dabei nur kurzfristig Erfolg, weil sie irgendwann an der Wirklichkeit gemessen werden können und scheitern. Religionen, die das Ziel der menschlichen Existenz in das unkontrollierbare Jenseits des Nichtwissens verlegen, haben, mangels Überprüfungsmöglichkeit, eine längere Haltbarkeitsdauer.

Imagination und auf Zufällen basierende Vorstellungskraft sowie die Extrapolation von Emotionen beschreiben im Bereich des Nichtwissens übergeordnete, nicht erfassbare Zustände. Eine Bürokratie, die sich derartiger Gedankengebäude zur Verwaltung bemächtigt, trägt zur Festigung der Ideen bei.  So entstehen Religionen die um die Deutungshoheit im Ungewissen konkurrieren und die das Unerklärliche erklären sollen, weil der Mensch seine durch Wissensmangel definierte Minderwertigkeit nicht erträgt. Die Entropie in Bereichen ausserhalb des möglichen Wissens wird nicht akzeptiert, weil damit Hoffnungslosigkeit und Abwertung der eigenen Existenz verbunden wäre.

Die Zusammenhänge lassen sich mathematisch darstellen:

Die, durch die Imagination vermittelte, tröstende Illusion verhindert, dass die Menschheit sich selbst aufgibt. Sie schafft sich Maßstäbe, an denen sie den eigenen Wert ablesen kann und zu deren Verteidigung sie im Zweifelfall Andersdenkende tötet. Sum, ergo cogito.

© 1. Oktober 2017| Karl H. Grabbe

 

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